Donnerstag, 21. August 2014

„Massenhinrichtung“ der Beitragskritiker - Verfahren am 19.8. in Potsdam


Am 19.8.2014 wurden vor Verwaltungsgericht Potsdam neun Klagen gegen den Rundfunkbeitrag in einem Massenverfahren abgewiesen. Darunter auch meine Klage gegen die Ablehnung meiner Härtefallanträge aus sozialen- und Gewissensgründen.

Zugegeben, die Frauenquote unter Rundfunkbeitragskritikern ist nicht sonderlich hoch. Kritik am Rundfunkbeitrag scheint ein echtes Männerhobby zu sein, obwohl, man darf nicht ungerecht sein, vor dem Verhandlungssaal trafen wir auch eine Unternehmerin mit drei Filialen, die sich gegenüber dem Kameramann eines kleinen privaten Fernsehsenders sehr kritisch zu der Neuregelung äußerte.

Aber der Andrang vor dem Gericht war doch in erster Linie männlich, wie wir scherzend feststellen mussten. Wegen des großen Andrangs wurde die Verhandlung in einen größeren Saal verlegt, dennoch mussten einige Besucher draußen vor dem Verhandlungssaal bleiben und konnten, wie uns die Wachleute erläuterten, aus feuerschutztechnischen Gründen nicht eingelassen werden.

Wie sich später herausstellte, waren gut ein Fünftel der Besucherplätze durch Mitarbeiter des RBB belegt worden, die sich in die Gespräche mischten um herauszubekommen, mit was für Motiven die Besucher und Pressevertreter gekommen waren.

Die Eröffnung des Verfahrens begann mit einer Abfrage, welche Kläger mit welchen Rechtsanwälten erschienen waren und der Feststellung, dass zwei Kläger nicht kommen konnten, sich jedoch auch nicht formgerecht abgemeldet hatten, weswegen ihre Klage abgewiesen wurde. Beachtenswert war in diesem Zusammenhang, dass der neben mir sitzende Kläger durch den bekannten Steuerechtler Professor Koblenzer vertreten wurde.

Der vorsitzende Richter begann seine Ansprache mit einer Erläuterung, dass man sich wegen der vielen anhängigen Klagen für diese Art des Verfahrens entschieden habe, es sich jedoch um kein Massenverfahren handele, sondern jede Klage einzeln, jedoch in einem gemeinsamen Termin behandelt werden solle.

Dann begann der Vortrag der Berichterstatterin, welche die Klagen in Grundzügen grob zusammenfasste und herausstellte, dass alle Kläger als Gemeinsamkeit an der Verfassungsmäßigkeit des Beitrags Zweifel hegten.

Der vorsitzende Richter begann nun auszuführen, dass man all diese Anträge prüfen werde, jedoch jetzt schon anzuführen sei, dass der Rundfunkbeitrag abgabenrechtlich nicht als Steuer zu verstehen sei.

Dann führte er aus, dass auch die Informationsfreiheit nicht durch den neuen Rundfunkbeitrag eingeschränkt werde, denn es werde niemand gezwungen, Fernsehen zu schauen und der Beitrag von knapp 18 Euro stelle keine nennenswerte wirtschaftliche Belastung dar. Nun wandte er sich an die Kläger und die beiden Justitiarinnen des RBB, indem er meinte, er selbst verzichte seit 12 Jahren auf Fernsehen, zahle aber dennoch den Rundfunkbeitrag, auch wenn er sich diesen Quatsch nicht anschaue.

Danach erklärte er, dass er auch keine Einschränkung der informationellen Selbstbestimmung, sprich datenschutzrechtliche Bedenken darin sehe, dass die Daten aller Bürger nun zentral durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk erfasst werden.

Ebenfalls stelle der Rundfunkbeitrag keine Einschränkung der Religionsfreiheit dar. Es werde niemand gezwungen, Fernsehen zu schauen, auch würde der öffentlich-rechtliche Rundfunk keine Sendungen ausstrahlen, in denen jemand dazu überredet werde, einer bestimmten Religionsgemeinschaft beizutreten.

Dann begann die Anhörung der Kläger und ihrer Rechtsanwälte. Mein Rechtsanwalt verwies auf die gezielte Desinformation des RBB zur Volksabstimmung gegen die Privatisierung der Berliner Wasserbetriebe und machte deutlich, dass gerade für Bürger mit geringem Einkommen durch den Rundfunkbeitrag die Informationsfreiheit beschränkt werde, denn der Bürger könne sich bei kleinem Budget, wenn der RBB seiner Informationspflicht wie in diesem Fall gezielt nicht nachkomme, nicht anderweitig informieren.

Sehr fundiert war der Vortrag von Professor Koblenzer, der eindringlich vor dem Entstehen abgabenrechtlicher Schattenhaushalte warnte, die der Kontrolle der demokratisch legitimierten und einzig zum Erlass von Steuern befugten Instanzen entzogen sind und klar erläuterte, dass der Beitrag abgabenrechtlich als Steuer zu bewerten sei.

Auch brachte er zusammen mit den anderen Anwälten das Thema auf, dass zwar beim Rundfunkbeitrag eine Typisierung möglich sei, es jedoch nicht belegt werden kann, dass tatsächlich weniger als 10% der Haushalte über kein Empfangsgerät verfügten. Zwar gebe es statistische Hochrechnungen, jedoch keine verlässlichen Zahlen. Vielmehr sprächen die enormen Mehreinnahmen dafür, dass die zur Typisierung herangezogenen Zahlen nicht der realen Situation entsprächen.

Danach konnten sich auch noch die Kläger selbst zu Wort melden. Ich machte noch einmal darauf aufmerksam, dass im demokratischen Meinungsbildungsprozess der Bürger im Mittelpunkt stehen müsse. Diesem müsse das Recht zugestanden werden, im Sinne der Gewissensfreiheit und negativen Meinungsfreiheit, Medien und ihre Inhalte auch abzulehnen, indem er diese nicht bezahle.

Professor Koblenzer unterbrach die Verhandlung an einer Stelle plötzlich, indem er ausrief: „Liegen dort schon die fertigen Urteile in den Akten?“

Der vorsitzende Richter erwiderte: „Nein, es liegen selbstverständlich keine vorgefertigten Urteile in den Akten, das sieht nur so aus.“

Daraufhin beantragte Professor Koblenzer sofortige Akteneinsicht, er habe schließlich schon so einiges erlebt. Die Akte wurde nun zwischen den Richtern hin und her geschoben, ich konnte nicht genau sehen, was mit ihr geschah. Dann wurde Professor Koblenzer Akteneinsicht gewährt. Dieser konnte kein vorgefertigtes Urteil in der Akte finden.

Um 12:30 beendete der vorsitzende Richter die Anhörung und gab an, man werde frühestens um 13:30 das Urteil verkünden.

Als wir um 13:30 in den schon wieder überfüllten Gerichtssaal eintraten, dauerte es noch einige Zeit, bis die Richter zurückkehrten. Wir werteten dies als positives Zeichen.

Als der vorsitzende Richter zurückkehrte, fragte ihn der Wachmann, warum es so lange gedauert habe. Der vorsitzende Richter antwortete scherzhaft: „Wir hatten so viel Kaffee, den  mussten wir erst noch leer trinken.“

Die Urteilsverkündung ging dann in einem Rutsch: Alle Klagen wurden abgewiesen. Herr Professor Koblenzer war schon gar nicht mehr zur Verkündung erschienen. Als professioneller Anwalt hätte er dies nicht nötig, erklärte mein Mitkläger.